Prüfung des Unternehmens
Prüfung des Schiffes und des Unternehmens vor Unterzeichnung des Vertrags: Schritt-für-Schritt-Anleitung
Wofür dieser Artikel gedacht ist
Jeder Seemann ist mindestens einmal in der Situation, schnell eine Entscheidung über einen neuen Vertrag treffen zu müssen. Wie kann man sicherstellen, dass das Stellenangebot echt ist, das Schiff existiert und sich in gutem Zustand befindet und das Unternehmen keine Probleme mit Zahlungen hat? In diesem Artikel betrachten wir praxisnahe Möglichkeiten der Prüfung über offene Quellen (OSINT), die Ihnen helfen werden:
- Die Existenz und den technischen Zustand des Schiffes zu bestätigen
- Den tatsächlichen Standort und die Route des potenziellen Arbeitsortes zu ermitteln
- Den Ruf des Schiffseigners und die Geschichte von Problemen mit der Besatzung zu prüfen
- Betrügerische Angebote erkennen, bevor Sie Zeit und Geld verlieren
Grundlegende Methoden zur Erkennung betrügerischer Angebote die wir im vorherigen Artikel behandelt haben. Heute geht es um konkrete Werkzeuge, die Teil der verpflichtenden Vorbereitung vor der Unterzeichnung eines jeden maritimen Vertrags sein sollten — auch wenn das Angebot von einem bekannten Unternehmen stammt.
OSINT-Tools zur Überprüfung von Schiffen
Offene Datenquellen ermöglichen umfangreiche Informationen über das Schiff zu erhalten, die dabei helfen, Unstimmigkeiten im Arbeitsangebot zu erkennen:
1. Schiffsverfolgungssysteme (AIS)
MarineTraffic und VesselFinder verwenden Daten des Automatischen Identifikationssystems (AIS), das zeigt:
- Der aktuelle Standort des Schiffes
- Route und Zielhafen
- Geschwindigkeit und Kurs
- Schifftyp und seine wichtigsten Merkmale
Wie man es zur Überprüfung verwendet:
- Geben Sie den Schiffsnamen oder die IMO-Nummer ein
- Überprüfen Sie, wo sich das Schiff derzeit befindet
- Vergleichen Sie diese Informationen mit den Daten im Arbeitsangebot
Beispielsweise, wenn Ihnen angeboten wird, sofort zu einem Schiff zu fliegen, das laut AIS sich in einer Langzeitreparatur im Dock befindet — das ist ein klares Anzeichen für Betrug.
2. IMO-Nummer: Schlüssel zur Überprüfung des Schiffes
Jedes Seeschiff im internationalen Verkehr hat eine einzigartige IMO-Nummer (siebenstelliger Identifikator), die sich während der gesamten Betriebsdauer nicht ändert – auch bei Namens-, Flaggen- oder Eigentümerwechsel.
Warum ist das wichtig:
- Wenn Sie die IMO-Nummer kennen, können Sie das Schiff eindeutig identifizieren
- Betrüger geben oft eine nicht existente IMO-Nummer oder eine Nummer eines anderen Schiffes an
- Die Echtheit der IMO-Nummer kann über offizielle Datenbanken überprüft werden
Wie überprüft man die IMO-Nummer:
- Sie sollte genau 7 Ziffern enthalten
- Die letzte Ziffer ist eine Prüfziffer, die nach einem speziellen Algorithmus berechnet wird
- Geben Sie die Nummer auf der Website IMO.org oder Equasis ein
3. Equasis-Datenbank
Equasis — kostenlose Datenbank über Schiffe und Reedereien mit umfangreichen Informationen:
- Detaillierte technische Merkmale des Schiffes
- Historie von Namens- und Flagwechseln
- Daten zum Eigentümer und Betreiber des Schiffs
- Informationen über das Klassifikationsgesellschaft
- Historie der Inspektionen und Festnahmen durch Port State Control
Wie man es zur Überprüfung verwendet:
- Registrieren Sie sich (kostenlos)
- Geben Sie die IMO-Nummer des Schiffs ein
- Untersuchen Sie alle verfügbaren Informationen über das Schiff
4. Prüfung von Klassifikationsgesellschaften
Klassifikationsgesellschaften (DNV, Lloyd’s Register, Bureau Veritas und andere) führen eigene Datenbanken über zertifizierte Schiffe:
Das Fehlen des Schiffs in der Datenbank der angegebenen Klassifikationsgesellschaft ist ein ernsthafter Grund zur Besorgnis.
Schritt-für-Schritt-OSINT-Überprüfung am Beispiel
Betrachten wir ein praktisches Beispiel zur Überprüfung des Schiffes ELEEN SOFIA (IMO: 9407512), falls Ihnen ein Arbeitsangebot für dieses Schiff vorliegt.
Schritt 1: Überprüfung der Existenz und des Standorts
- Öffnen Sie MarineTraffic oder VesselFinder
- Geben Sie "ELEEN SOFIA IMO:9407512" ein
- Erhalten Sie aktuelle Daten: Schifftyp (Supramax-Bulk Carrier), Flagge (Liberia), aktueller Standort
Worauf Sie achten sollten:
- Entspricht der Schifftyp dem im Arbeitsangebot angegebenen?
- Befindet sich das Schiff tatsächlich in der Region, die im Angebot genannt ist?
- Wird das Schiff aktiv betrieben oder steht es in Reparatur/Stillstand?
Schritt 2: Überprüfung über Equasis
- Geben Sie die IMO-Nummer 9407512 auf der Equasis-Website ein
- Untersuchen Sie die erhaltenen Informationen:
Wichtige Schiffsdaten:
- Baujahr: 2008
- Tiefentlast (DWT): 55.411 t
- Werft: Kawasaki Heavy Industries, Japan
- Klasse: ClassNK (Nippon Kaiji Kyokai)
Informationen über das Unternehmen:
- Eingetragener Eigentümer: Maritime Sofia LLC (Offshore-Gesellschaft, Marshallinseln)
- Technischer Manager: Eleen Marine JSC
- Sitzland: Bulgarien (Büro in Sofia)
Inspektionshistorie:
- Dezember 2022: Festnahme durch die US-Küstenwache in New Orleans für 10 Tage aufgrund von Sicherheitsverstößen
- Februar 2024: Inspektion in Australien ergab Gehaltsrückstände und Versorgungsprobleme
- April 2024: ITF-Inspektoren dokumentierten gravierende Verstöße (Lebensmittelknappheit, defekte Klimaanlagen)
Schritt 3: Betriebs- und Festnahmengeschichte
- Über AIS-Dienste (MarineTraffic, VesselFinder) prüfen wir die Bewegungen:
- Das Schiff kreuzt aktiv im Indischen Ozean, Südostasien und Afrika
- Häufige Häfen: Salalah (Oman), Chittagong (Bangladesch), Mackay (Australien), Mombasa (Kenia)
- Geschichte von Festnahmen und Inhaftierungen:
- Dezember 2022: Festnahme in New Orleans (USA)
- April 2024: Festnahme im Hafen von Mackay (Australien) aufgrund von Handelsforderungen
- Dezember 2024: Festnahme in Mombasa (Kenia) aufgrund einer Lieferantenklage wegen unbezahlter Reparaturen
- Namens- und Flaggenwechsel:
- Ursprünglicher Name: ERIA COLOSSUS unter Panama-Flagge
- Umbenennung in ELEEN SOFIA im Jahr 2021 bei Eigentümerwechsel
- Aktuelle Flagge: Liberia (Heimathafen Monrovia)
Schritt 4: Prüfung von Erwähnungen in Nachrichten und Berichten
- Verwenden Sie Suchanfragen wie "ELEEN SOFIA IMO 9407512" mit Schlüsselwörtern:
- Festnahme, Arrest, Probleme, ITF, Besatzung
- Veröffentlichungen finden:
- ITF-Pressemitteilungen, in denen das Schiff als "Schiff der Schande" bezeichnet wird
- Branchenmedien (Maritime Executive, Splash 24/7) mit Hinweisen auf Verstöße gegen Arbeitsbedingungen
- Berichte nationaler Gewerkschaften über Probleme an Bord
Gefundene Probleme:
- Mehrere Festnahmen in verschiedenen Ländern
- Lohnrückstände für die Besatzung
- Unzureichende Versorgung (Lebensmittel, Ersatzteile)
- Schlechte Wohnbedingungen (defekte Klimaanlagen im tropischen Klima)
- Verwirrte Eigentümerstruktur, die Problemlösung erschwert
Rote Flaggen bei der Überprüfung
Bei der OSINT-Untersuchung achten Sie besonders auf folgende Warnzeichen:
- Datenabweichungen: Die Schiffsinformation im Angebot stimmt nicht mit den Daten aus offenen Quellen überein
- Ausgeschaltetes AIS: Das Schiff übermittelt über längere Zeit keine Positionsdaten
- Häufige Flaggenwechsel: insbesondere zu Flaggen von “Bequemlichkeitsländern” mit niedrigen Anforderungen
- Mehrere Festnahmen: deuten auf systematische Sicherheitsprobleme hin
- Fehlender P&I-Versicherungsschutz: erhöht das Risiko von Nichtzahlung bei Unfällen
- Sanktionslisten: Prüfen Sie, ob das Schiff oder das Unternehmen unter internationalen Sanktionen steht
Weitere Quellen zur Überprüfung
1. Offizielle Schiffsregister
- Paris MoU — Datenbank der Schiffsinspektionen in europäischen Häfen
- Tokyo MoU — ähnliche System für den asiatisch-pazifischen Raum
- USCG PSIX — Datenbank der US-Küstenwache
2. Spezialisierte maritime Datenbanken
- IHS Maritime & Trade — kostenpflichtig, aber umfassende Datenbank
- Q88 — Informationen über Tanker
- Clarkson Research — Daten zu Chartering und Schiffen
3. Prüfung von Sanktionslisten
- OFAC SDN List — US-Sanktionen
- EU Sanctions Map — Europäische Sanktionslisten
Fazit
Die Verwendung von OSINT-Methoden kann das Risiko erheblich senken, Opfer von Betrug bei der Einstellung zu werden. Wenn Sie einige Stunden investieren, um das Schiff und das Unternehmen gründlich zu überprüfen, können Sie sich vor Geldverlust, Zeitverlust und Rufschädigung schützen.
Behalten Sie die wichtigsten Prinzipien sicherer Beschäftigung im Kopf:
- Zahlen Sie niemals für eine Anstellung
- Überprüfen Sie Informationen immer über mehrere unabhängige Quellen
- Fordern Sie einen schriftlichen Vertrag vor Arbeitsbeginn
- Bei Zweifeln wenden Sie sich an ITF oder Seemannsgewerkschaften
Nützliche Ressourcen
- MarineTraffic — Schiffverfolgung
- VesselFinder — alternatives Verfolgungssystem
- Equasis — detaillierte Schiffsinformationen (Registrierung erforderlich)
- ITF ShipBeSure — Überprüfung von Crew-Agents
- ITF Kontakt — E-Mail für Meldungen über Betrug
Pass auf dich auf und teile dein Wissen mit Kollegen!
Wie man Betrug vermeidet
Wichtige Merkmale von Betrug und grundlegende Sicherheitstipps von ITF.
Möglichkeiten
Informationen für Unternehmen zu Begrenzungen, dem Verifizierungsprozess und Möglichkeiten zum Erhalt von Lebensläufen.
